Nach 1978 und 2003 erlebe ich mal wieder einen Jahrhundertsommer. Temperaturen jenseits der 30 Grad am Tag, die selbst in der Nacht selten unter die 20 Gradmarke absinken. Seit Wochen kein wirklicher Regen. Dürre in Bottrop?
Für die Freunde der naturnahen Haltung von Schildkröten ein Traum. Vorausgesetzt, man hält tropische oder mediterrane Schildkröten. Aber seltsamer Weise gibt es erste Probleme bei der Futterversorgung der Schildkrötenarten, die trockene, rohfaserreiche Nahrung aus ihren Habitaten eigentlich kennen müssten. Selbst die Hardcorehalter, die sonst immer ihr Unverständnis über diejenigen äußern, die in „normalen“ Sommern kaum Wildkräuter finden, sind nun untröstlich, wenn die „Futterrunde“ wenig ergiebig war.
Aber auch „kleine Überraschungen“ sind in solchen Sommern möglich. Eiablagen, die nicht bemerkt wurden enden nicht selten mit dem Schlupf von Jungtieren. Mancher Halter mediterraner Landschildkröten ist entzückt von der unerwarteten Nachzucht. Und auch dem Halter tropischer Landschildkröten wird es natürlich warm ums Herz, bei der plötzlichen und unerwarteten Begegnung mit einer kleinen Schildkröte im Gehege.
Ja – auch mir sind in diesem Jahr mittlerweile sechs kleine Buntnasen im Gehege meiner Köhlerschildkröten entgegen gekrabbelt. Und ja – ich gebe zu, es ist wirklich eine „süße Überraschung“. Ein provisorisches Jungtiergehege wurde errichtet und nach drei Monaten werden nun neue Halter gesucht. Natürlich finden sich Abnehmer. Auch wenn das Finden geeigneter Halter nicht ganz so einfach ist (wenn man selber hohe Ansprüche an die neuen Halter hat).
Und auch bei der Fütterung meiner 18 Köhlerschildkröten muss ich mittlerweile fast zwei Stunden suchen, bis ich die erforderliche Menge frischer „Unkräuter“ zusammen habe. Im Garten wird viel Wasser eingebracht, dass die Tiere dort wenigstens etwas frisches Grün bekommen. Aber natürlich gibt es jetzt sehr viel Heu. Und siehe da, die Tiere fressen es. Zu den Lebensräumen der Köhlerschildkröten zählen auch Grassavannen. Somit grasen meine adulten Tiere jeden Morgen über die feuchten Halme, die sie noch finden.
Heizungen und Wärmelampen sind seit zwei Monaten so gut wie unbenutzt. Dennoch müssen sie regelmäßig auf Funktion geprüft werden. Und nun haben wir auch noch den wärmsten Monat des Jahres: Der August. Tageswerte mit über 35 Grad Celsius und sengender Sonne sind aber sonst hier eher selten. Und bei Werten um die 50 Grad direkt in der Sonne werden auch die Wärme liebenden Köhlerschildkröten eher träge und verbringen die heiße Phase in ihren Verstecken.
Wahrscheinlich können wir auch in den kommenden Wochen unseren Landschildkröten bei ihren natürlichen Verhaltensweisen zuschauen. Morgens früh auf Futter- und Partnersuche gehen. Am späten Morgen dann einen kühlen Rückzugsort aufsuchen. Und abends dann wieder loswatscheln und Futter und Partner suchen.
Und vielleicht krabbelt ja auch bei Ihnen in den kommenden Tagen mal ein Schildkrötenzwerg durchs Gehege. Oder haben Sie alle Eiablagen Ihrer Pfleglinge mitbekommen? Ganz sicher? Und was würden Sie tun, wenn Ihnen so eine kleine Schildkröte unerwartet entgegenkommen würde?
Na klar. Aufsammeln und freuen. Was denn sonst?
Auf der anderen Seite kommen dann aber auch irgendwann die Gewitter. Starkregen, Hagel mit Überschwemmungen und Hagelschaden. Die Kehrseite der Medaille der klimatischen Besonderheit. Wahrscheinlich werden wir 2019 wieder jammern, wie nass und kalt der Sommer ist. Wir werden wieder genügend Wildkräuter finden, und kaum das angebotene Heu in unsere Pfleglinge hinein bekommen, was 2018 ganz selbstverständlich angenommen wurde. Nicht entdeckte Eier werden einfach verfaulen, und „Naturbruten“ werden nicht zustande kommen.
Nutzen wir doch einfach mal die uns „geschenkten“ Jungtiere dafür, sie verantwortungsvoll weiterzugeben. Aber was ist, wenn wir Halter von „kranken Schildkröten“ sind? Herpes, Mykoplasmen, Ranavirus, Virus X, und, und, und…
Sind Halter positiver Tiere genauso erfreut über „Naturbruten“?
Na gut, alle meine Köhlerschildkröten wurden zumindest auf Herpes und Mykoplasmen mehrfach untersucht. Alle Befunde bisher waren negativ. Ich halte mittlerweile sechs adulte Weibchen, drei adulte und ein subadultes Männchen in zwei Gruppen. Drei bis vier Eiablagen pro Jahr und Weibchen. Nachdem mir das erste kleine Krötchen im Mai 2018 entgegen kam, suchte ich fast zwei Wochen, bis ich das passende Gelege gefunden hatte. Drei weitere Jungtiere schlüpften aus den restlichen Eiern. Acht Wochen später dann zwei weitere Schlüpflinge. Bei der Suche der dazu gehörenden Eier, fand ich dann neben dem Ursprungsgelege noch insgesamt acht weitere Eier, in denen sich etwas entwickelt. Die habe ich nun in einem Inkubator gelegt, damit sich die etwaigen Schlüpflinge kontrolliert aus ihren Eiern pellen können. Und – sie mir nicht in den Freigehegen verloren gehen.
Im kommenden Jahr muss ich definitiv besser aufpassen, damit solche „Zwischenfälle“ nicht zur Gewohnheit werden. Ich bin mir sicher. Der Sommer 2018 wird für machen Halter ganz sicher noch die eine oder andere Überraschung parat haben. Und viele nicht geplante Nachzuchten werden demnächst ein neues Zuhause suchen. Hoffen wir, dass sie alle eines finden, und nicht ein Fall für den Tierschutz werden. Die Auffangstationen und Tierheime haben genug zu tun. Deshalb war es mir wichtig selbstkritisch darüber zu schreiben. So schön solche Überraschungen sind. So sehr zeigt mir dieser Sommer, wie wichtig es ist, seine Tiere genau zu kennen. Obwohl ich eigentlich keine Nachzuchten geplant hatte, versuche ich nun neue Halter dafür zu finden. Es ist schön, wenn man Menschen für das Hobby Schildkrötenhaltung begeistern kann, und so neue Halter-Bekanntschaften entstehen. Die nächste Generation Köhlerschildkrötenhalter und ihre Eltern besuchen mich nun. Und auch so manch alter Hase meldet sich jetzt bei mir, und interessiert sich für die kleinen Buntnasen.
Die Produkte des Jahrhundertsommers 2018 sorgen also dafür, dass ich viele neue nette Leute kennenlerne. Und wenn ich ehrlich bin, sind solche Gespräche mit zukünftigen Haltern der Grund, warum ich damals auch der IGSN beigetreten bin. Als Züchter mit Interessenten reden, die selber noch nicht so viele, oder gar keine Erfahrungen in der Schildkrötenhaltung sammeln durften/konnten. Verantwortung übernehmen, und Interessenten aufklären. Und anders herum als Vereinsmitglied auf Tierheimfesten und Fachtagungen mit Menschen reden, die „auch“ Schildkröten halten, ohne dass diese Haltung den Stellenwert einnimmt, wie bei mir oder anderen Schildkrötenfreunden.
Im Dezember 2018 stellt sich die IGSN mit einem Stand zum ersten Mal auf den Tier-Weihnachtsmarkt in Oberhausen. Und wie auch schon auf Tierheimfesten wird es wieder die Momente geben, wenn wir mit den Worten begrüßt werden: „Meine Tante Maria hat auch eine Schildkröte…“ oder „Ach, eine Schildkröte habe ich auch…“ oder „Eine Schildkröte würde ich auch gerne halten…“
Neben dem Fachsimpeln ist hier Fingerspitzengefühl und Aufklärungsarbeit gefragt. Genau wie bei den Züchtern und Verkäufern, die ihre Tiere anbieten. Nun darf auch ich mich darin versuchen. Meine kleinen Buntnasen sollen ja nicht irgendwann ein Fall für den Tierschutz werden. Und mit einem weinenden und einem lachendem Auge übergebe ich die Knirpse an Leute, die zum Teil mit der Haltung von Schildkröten gerade erst anfangen.
Es waren buchstäblich Schweiß treibende Gespräche. Aber, Spaß haben sie gemacht. Genauso wie jeder Gang zu meinen Köhlerschildkrötengehegen. Und ich muss zugeben, mittlerweile schaue ich noch etwas genauer hin. Und vielleicht finde ich ja doch noch einen weiteren Jahrhundertsommer-Schlüpfling…
Genieße ich einfach weiterhin das schöne Wetter. Und noch etwas Positives gibt es über diesen Jahrhundertsommer zu sagen. So lange es so warm und sonnig ist, spare ich Strom. Die gesparten Euro dafür gebe ich dann eben für Wasser aus. Denn die Trockenheit ist nicht gerade das, was Köhlerschildkröten brauchen.
In diesem Sinne, genießt den Jahrhundert-Sommer 2018 mit Euren alten (und vielleicht auch neuen) Schildkröten…
(Ralf Czybulinski – Bottrop)